Die gesamte Welt und insbesondere Wien befinden sich aktuell in einem Ausnahmezustand. Viele von uns sind derzeit im Arbeitsalltag einer Mehrfachbelastung ausgesetzt. Mit diesem Beitrag möchten wir der Verunsicherung und den negativen Nachrichten etwas Positives entgegensetzen. Unsere Expertin Marilena Maris haben wir deshalb um Unterstützung gebeten und nachgefragt welche Copingstrategien wir derzeit anwenden können.

Wir freuen uns auch über weitere Impulse zum Thema, um soviel Inspiration wie möglich zur Verfügung zu stellen.

Also gerne ergänzen und teilen. Wir sagen vernetzt und gemeinsam, statt einsam!

Liebe Marilena, vielen Dank für dein hilfreiches Video!

Darin thematisierst du die aktuelle Lage und teilst Tipps zur Bewältigung. Sogenannte Bewältigungs- oder Copingstrategien. Man ist definitiv nicht vorbereitet auf solche Ereignisse. Wie waren für dich die letzten Stunden?

Sehr intensiv. Seit Montag telefoniere ich mit vielen Freunden, Kollegen, Kunden und Geschäftspartner, meinen Terminkalender angepasst und einige Pro Bono Coachings gemacht. Als Coach bin ich geschult, mit Krisensituationen umzugehen. Allerdings ist die aktuelle Mehrfachbelastung für uns alle eine Herausforderung. Wir sprechen von der COVID-19 Krise und Auswirkungen im Privat- und Berufsleben, von der Aufarbeitung des Terroranschlages, von dem aktuellen Lockdown…

Wie setzt man den ersten Schritt? Womit können wir uns anfangs überhaupt selbst helfen und stärken?

In Krisensituationen sind wir mit Gefühlen und Emotionen konfrontiert, die nicht angenehm sind, wie Angst, Panik, Schock, Lähmung, Handlungsunfähigkeit. Dabei merken wir auch rasch, dass Menschen sehr verschieden damit umgehen. Während manche von uns Copingstrategien parat haben bzw. schnell entwickeln können, hadern andere ziemlich lange damit. Somit ist das Wichtigste eine ehrliche Standortbestimmung, damit schnelle Hilfe gewährleistet werden kann. Ich empfehle diese Fragen zu stellen:

  • Wie geht es mir wirklich?
  • Was und wie fühle ich mich gerade?
  • Kann ich alleine weiter machen oder brauche ich Unterstützung?

Und es ist mir ein Anliegen zu betonen, dass alle Gefühle legitim sind und nicht lächerlich. Man muss nicht immer stark sein.

Woran kann man erkennen, dass es mir oder anderen nicht gut geht?

Die emotionale Seite unseres Gehirns erkennt oft schneller als die logische Seite, dass etwas nicht passt, auch wenn wir die Themen oft nicht benennen können. Die berühmte Intuition ist also hilfreich. Weiterhin würde ich auf Hinweise achten wie bzw. ein komisches Bauchgefühl, um das Haus zu verlassen, sich einsam und unwohl fühlen, Ratlosigkeit, fehlende Konzentration, fehlende Produktivität.

Sehr wichtig: wenn’s akut ist, nicht überlegen, sondern sofort die Akuthilfe der Stadt Wien im Anspruch nehmen. Lieber einmal zu rasch als zu langsam handeln.

Sollten wir am Arbeitsplatz überhaupt darüber sprechen?

Besonders am Arbeitsplatz hadern viele damit, Schwäche zu zeigen. Dabei ist es in der aktuellen Situation kontraproduktiv so weiter zu machen wie gehabt und die Situation zu verdrängen oder gar zu ignorieren. Mittel- bis langfristig sprechen wir von negativen Folgen, die niemand wirklich braucht.

Niemand in Wien hat mir gestern berichtet, dass es ein guter Arbeitstag war. Die Konzentration hat darunter gelitten, bei manchen mehr als bei anderen und die Betroffenheit ist enorm. Also warum nicht gleich offen darüber sprechen damit wir Schritt für Schritt wieder in den Alltag finden. 

Allen Führungskräften empfehle ich auch mit den MitarbeiterInnen Gespräche zu führen. Auch hier gilt, lieber ein Gespräch zu viel als zu wenig.

 Gibt es bestimmte Copingstrategien, die man in den Arbeitsalltag integrieren kann?

Es ist schwer, allgemeine Ratschläge für individuelle Lösungen zu finden. Jedoch teile ich gerne einige Copingstrategien und hoffe, dass man dadurch Inspiration bekommt. Grundsätzlich sind alle gesunde Strategien willkommen, die unsere Seele stärken und unsere Resilienz aufbauen.

1. Offen darüber sprechen, auch am Arbeitsplatz

Wir sollten uns endlich einig sein, dass wir in diesen Momenten keine Top Performance von allen erwarten können. Empathie und Mitgefühl sind eher angebracht, damit wir uns Schritt für Schritt in den Alltag wiederfinden. Und es gilt nicht nur für das Privatleben, sondern auch im Job: je schneller wir wissen, wie sich unsere Mitmenschen fühlen, desto schneller können wir auch passend reagieren. Das Ziel ist letztendlich ein gesunder Umgang mit schwierigen Emotionen wie Angst, Panik oder Hilflosigkeit, in dem wir diese rasch und gut verarbeiten.

 2. Das Gefühl der Handlungsfähigkeit wiedergewinnen

Viele spüren eine starke Verzweiflung und Machtlosigkeit in diesen Situationen, denn sie können wenig tun. Es hat sich als sehr hilfreich erwiesen jene Sachen zu tun, die man sofort beeinflussen kann. Sei es drum kleine Entscheidungen wie eine spontane Pause, ein Mittagessen, eine lockere Abstimmung. Dadurch wird man handlungsfähiger und damit ist sehr viel gewonnen. Wiederum ist es gerade nicht nur wohltuend, sondern auch sehr wertvoll, für andere da zu sein, die sich mit der Thematik schwerer tun. 

3. Das Gehirn unterstützen, negative Emotionen zu bewältigen

Unser Gehirn ist unglaublich anpassungsfähig und das können wir zu unserem Vorteil ausnutzen. Kleine, positive Emotionen schaffen manchmal schon eine gesunde Balance. Im Privatleben „gönnt man sich was Gutes“, im Job kann man sich auf Lieblingsthemen oder Lieblingsprojekte konzentrieren und Kontakt zu jenen KollegInnen suchen, die einem gut tun. 

Mein persönlicher Tipp: eine 90 Sekunden Übung, um die Amygdala auszutricksen

Intensive Emotionen in heftigen Situationen werden von der Amygdala „übernommen“, jener Seite unseres Gehirns, die für Primärreaktionen bei Stimuli verantwortlich ist. Also für klassische „Fight – Flight – Freeze“ Reaktionen. Wenn’s intensiv wird, kann die Amygdala unseren präfrontalen Cortex „overrulen“, der für Logik, Struktur und Planung verantwortlich ist.  Wir sprechen über ein chemisches Verfahren in unserem Körper, das ungefähr 90 Sekunden dauert. Mehrere Studien haben bewiesen, dass wir nach diesen 90 Sekunden uns nicht mehr im chemischen Verfahren befinden, sondern in einer emotionalen „Endlosschleife“ und diese können wir mit der Macht der Gedanken stark beeinflussen. „Amygdala austricksen“ nach Dr. Daniel Goldman:

  • Emotionale Reaktion identifizieren
  • Emotionen benennen
  • Innehalten, 10x tief durchatmen (Bauchatmung)
  • Wenn möglich, Emotionen „ziehen“ lassen
  • Bewusst entscheiden, welche Handlungsoption in dem Moment passt

4. Vernetzt und gemeinsam, statt einsam

Viele Menschen fühlen sich sehr einsam im Homeoffice und das ist aktuell sehr kontraproduktiv. In der aktuellen Lage ist viel Kreativität gefragt. Zusätzlich zu den mittlerweile üblichen virtuellen Kaffees und Aktivitäten sollte man einfach experimentieren. Zum Beispiel mit virtuellen Co-Working Sessions. Wie auch im offline Leben trifft man sich virtuell und arbeitet parallel an verschiedene Themen. Dabei vereinbart man im Vorfeld Zeiten, die dem Austausch oder den gemeinsamen Pausen gewidmet sind. Manche Gruppen, die ich dabei begleitet habe, fanden es gut, die Webcams immer eingeschaltet zu lassen. Sie fühlten sich einfach besser Menschen tatsächlich zu sehen. 

5. Smarte Pausen

Eine spontane LinkedIn Umfrage hat gezeigt, dass nur 36% von uns dann eine Pause machen, wenn sie eine brauchen. Ca 26% finden sogar die Mittagspause eine Herausforderung. Somit empfehle ich jetzt erst recht, die gute alte Pause wieder zur Gewohnheit zu machen 🙂 Entgegen der häufig falschen allgemeinen Meinung, das Pausen die Arbeit nur in die Länge ziehen, ist es wissenschaftlich mehrfach nachgewiesen, das Pausen die Produktivität erhöhen. Pausen sind Produktiv!

Übrigens: High Performer in allen Disziplinen setzen Pausen gekonnt ein, um ausgeglichener und produktiver zu sein. Dabei sind kürzere, aber dafür häufigere Pausen sehr empfehlenswert.

6. Bewusst auf Sprache, Rhetorik sowie Medienkonsum achten 

Ludwig Wittgenstein sagte: „Sprache schafft Wirklichkeit“ und das stimmt. Sowohl der innere Dialog als auch die Gespräche mit anderen können uns sehr stark bei der Verarbeitung und Lösungsfindung beeinflussen. Hinzu kommt, das medial inszenierte Artikel die negative Gefühle, die wir eigentlich verarbeiten wollen, verstärken oder erneut triggern. 

Empfehlenswert ist es auch keine Videos der aktuellen Tragödien anzusehen, vor allem wenn man einen persönlichen Bezug zu Wien hat. Wenn man die Orte gut kennt, kann man sich viel zu gut damit identifizieren und wird  ungewollt Teil des Geschehen. 

7. Good Old Basics

  • auf die eigene Gesundheit achten
  • in Bewegung bleiben
  • ausgewogen Essen
  • viel Wasser trinken
  • gute Rituale beibehalten
  • Zeit mit den richtigen Menschen verbringen 

 

Dies sind Aspekte die nicht nur jetzt, sondern immer helfen!

Marilena Maris

Marilena Maris

Betriebswirtin, Personalentwicklerin und Executive Coach

Marilena Maris bildet seit 2008 Führungskräfte und Experten, vor Ort oder virtuell, in über 30 Ländern aus. Ihr Wissen gibt sie in Form von Workshops, Key Notes, internationalen Programmen, Coachings und Trainings weiter. Sie sorgt sich besonders um Produktivität und nachhaltige Leistung, auch bekannt als das Erzielen von Ergebnissen und das Bewahren unserer Vernunft. Sie ist  außerdem Gesellschafterin und Partnerin bei MDI, hat einen Master of Science in Executive Coaching & Training von der Universität Wien, sowie einen BA in Betriebswirtschaft von der Internationalen Fachhochschule in Krems. Darüber hinaus verfügt sie über mehrere internationalen Zertifizierungen.  Sie liebt Reisen, lebt sowohl in Österreich als auch Deutschland und dies als Teil einer Patchworkfamilie mit 5 Kids.

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