Südafrika – auch Rainbow Nation genannt – ist bekannt für seine beeindruckenden Sandstrände, eine unglaubliche Tierwelt, die Herzlichkeit der Menschen und vieles mehr. Das Land hat dennoch keine einfache Vergangenheit. Unsicherheit und interkulturelle Konflikte stehen noch stets an der Tagesordnung. Wir haben mit dem Südafrikaner Gerard Le Sueur, der seit fast 20 Jahren als Trainer arbeitet, über die aktuellen Herausforderungen, Unterschiede zu Europa und den Stellenwert von Klassenzimmer-Trainings in Zeiten der unaufhaltsamen Digitalisierung, gesprochen.

Die Ausgangslage: Herausforderndes Umfeld und das Seta System

 

Was sind deiner Meinung nach die aktuell größten Herausforderungen für ein Unternehmen in Südafrika?

 

Da gibt es mehrere: die politische Unsicherheit und Unruhen, die Korruption und ethischen Probleme, die das Wirtschaftsklima beeinflussen und eine sich ständig wandelnde Wirtschaftspolitik, die nicht sehr unternehmensfreundlich ist und sich täglich verändert.

 

“Nice-to-have” oder strategischer Erfolgsfaktor: wie denken deiner Meinung nach südafrikanische Unternehmen über (internationale) Führungskräfteentwicklung und wie wird das zukünftig sein?

 

Da gibt es verschiedene Ebenen. Viele multinationale Unternehmen, wie zum Beispiel europäische Organisationen, folgen dem globalen Trend, fokussieren sich daher selbst nur auf ihr Kerngeschäft und lagern ihre Produktion und Umsetzung von Dienstleistungen aus. Die Umsetzung ist dabei meist global und von einer oder wenigen Standorten ausgehend. Das Gleiche gilt für Südafrika, wo multinationale Organisationen von einem Standort aus, oft außerhalb Südafrikas, Führungskräftetrainings durchführen und den europäischen Unternehmen daher in nichts nachstehen. Bei der Ausführung von Trainings beauftragen Unternehmen in Südafrika oft Business Schools und bekannte Consultingunternehmen. Der Grund dafür ist, dass es in Südafrika ein extra Weiterbildungssystem gibt, das für verschiedene Weiterbildungen sogenannte Seta Punkte (Seta steht für „Sector education and Training authorities“) vergibt. Deshalb werden oft Business Schools oder offizielle Anbieter, die Seta Punkte anerkennen, mit der Durchführung von Trainings beauftragt. Zudem gibt es die Tendenz dazu Führungskompetenzen auf verschiedenen Ebenen auszubauen. Zum Beispiel Basic Management, wo Personen, die schon ein wenig praktische Managementerfahrung haben, weitergebildet werden. Der strategische und persönliche Führungsprozess steigt mit jeder steigenden Führungsebene und mehr Erfahrungen.

 

Trainingsdesign in Südafrika & „African Leadership”

 

Bei internationaler Führungskräfteentwicklung geht es viel um Verständnis und Empathie für andere Kulturen. Was würdest du als Experte einem professionellen Trainer in Südafrika empfehlen: gibt es Punkte, die er/sie speziell beachten sollte?

 

Ich finde es schwierig, jemanden als Experten zu bezeichnen. Man ist nie ein Experte, sondern einfach eine andere Person beim Training. Es ist wichtig zu verstehen, dass wir zwar alle unterschiedliche Persönlichkeiten sind, am Ende sind wir aber doch auch alle gleich. Man sollte sich auf keinen Fall verstellen, sondern einfach man selbst sein. Die Arbeit in Südafrika kann sehr fordernd sein und mit dem Konzept einer VUCA-Welt (Anm. VUCA = volatility, uncertainty, complexity, ambiguity) wird man in Südafrika tagtäglich konfrontiert. Deshalb ist es wichtig, den Leuten gut zuzuhören, sich selbst mal unsicher zu fühlen und sich für Dinge zu entschuldigen, ohne sein Gesicht zu verlieren. Ein Freund von mir sagt immer „It’s the choice between being right or being happy“. In Afrika muss man sich mit dieser Frage sehr oft auseinandersetzen.

 

In Südafrika leben viele unterschiedliche Kulturen und es gibt 11 offizielle Amtssprachen, was sicher nicht immer unkompliziert ist: gibt es typische Herausforderungen wenn es um kulturelle Unterschiede bei den Trainingsteilnehmern geht und hat sich da etwas in den letzten paar Jahren verändert?

 

In Südafrika gibt es aktuell eine riesige Diskussion darüber, was “African Leadership” ist. Das ist vor allem auf die ehemaligen Kolonien zurückzuführen, was jede Person in Südafrika betrifft, auch Europäer, die nach Südafrika zum Arbeiten kommen. Wir müssen sehr offen sein und uns überlegen was wichtig ist, wenn wir darüber diskutieren was in Südafrika funktioniert und was nicht. Dabei zählt nicht nur das Ergebnis, sondern auch der Weg, mit unterschiedlichen Diskussionen und Fragerunden, bis dorthin. Man kann nicht einfach mit einer fertigen Powerpoint Präsentation kommen und anderen Personen erklären, wie die Welt funktioniert.

Zwischen den einzelnen Kulturen verspürt man oft Unsicherheit und Unzufriedenheit. Dadurch ist der Grad der „Aggressivität“ und Sensibilität höher als vielleicht in anderen Ländern. Gleichzeitig ist die Offen- und Herzlichkeit anderen gegenüber ebenfalls viel höher.

Intercultural leadership development

In Südafrika, der „Rainbow Nation“, leben Menschen mit vielen verschiedenen kulturellen Hintergründen – das ist nicht immer einfach

Europäer, die Südafrika nicht kennen, unterschätzen oft wie entwickelt Südafrika eigentlich ist. Deiner Meinung nach: gibt es gravierende Unterschiede zwischen Führungskräftetrainings in Südafrika und Europa und wenn ja, welche sind das?

 

Wenn wir über „African Leadership“ (vielleicht eine weltweit eher anerkannte Art von Führung als „South African Leadership“) sprechen, tun wir das auf einem sehr tiefgründigen Level. Europa ist sehr weit von diesem Level entfernt, da der Status quo in Europa ein ganz anderer ist als in Afrika. In Europa realisieren viele Menschen nicht: “Sie sehen nicht, dass sie nicht sehen was sie nicht sehen.“ In Afrika hingegen gibt es einen großen Umbruch momentan. Natürlich ist es auch chaotisch und teilweise unklar – es gibt intensive Diskussionen und viele Herausforderungen zu bewältigen.

 

Trainer sein in Zeiten der Digitalisierung

In Zeiten der unaufhaltsamen Digitalisierung: sind Face-to-face Trainings noch immer aktuell oder werden sie bald verschwinden. Warum?  

 

Die University of Stellenbosch Business School arbeitet seit vielen Jahren mit „virtuellen Klassenzimmer-Tools“ auf einem sehr hohen Niveau. Online Webinare sind weit verbreitet und entwickeln sich mithilfe immer besser werdender IT Technologien stetig weiter. Ich würde sogar sagen, dass diese Art von virtuellen Trainings in Europa noch nicht so weit entwickelt ist wie in Südafrika. Das liegt aber vor allem daran, weil es in Europa nicht zwingend notwendig ist, da es einfacher ist Personen im echten Leben zusammenzubringen: Geografisch und wirtschaftlich.

Auch wenn diese virtuellen Tools weit fortgeschritten sind, werden sie Klassenzimmertrainings trotzdem nicht komplett ersetzen können. Vielmehr kann man mit einer Mischung aus virtuellen und realen Trainings, leistungsstarke Programme entwickeln, mit denen das Engagement der Teilnehmer über einen längeren Zeitraum verstärkt wird.

 

Sprechen wir über internationale Führungskräftetrainings im Allgemeinen: was ist das wichtigste bei deiner Arbeit als internationaler Trainer und was sind die typischen Herausforderungen? Hast du ein paar Tipps für uns?

 

Ein Bushman hat einmal zu mir gesagt:  “You white people (meaning westerners) are really stupid. First you dig/build the hole you want, then when you lie in it, you cry that it isn’t right and you need to change it. He said, “There’s nothing to change. Everything is exactly as it should be.”

Kurz gesagt: viele Menschen sind der Meinung, dass sie immer genau wissen, was zu tun und zu ändern sei, was definitiv nicht so ist. Man kann als Trainer nicht in ein Training gehen mit der Einstellung dieses und jenes einfach so zu verändern. Sollte man dennoch diese Einstellung haben, so kann dieses Training nicht erfolgreich werden.

 

Was werden deiner Meinung nach die größten Herausforderungen in den nächsten 5-10 Jahren für die Trainingsindustrie sein?

 

Globale Roll-Outs, die den lokalen Anforderungen entsprechen müssen und eine gute Zusammenarbeit zwischen der zentralen und lokalen Geschäftsstelle.

Unser Interview Partner:

 

Gerard Le Sueur lebt in der Nähe von Kapstadt, Südafrika und hat bereits mehr als 18 Jahre Consulting und Organisational Change Development Erfahrung. Seine Kernkompetenzen sind unter Anderem Agile Leadership Development und Team Development. Er liebt seinen Job als Development Guide, da es sein Weg ist, mit der ganzen Welt in einer Beziehung zu bleiben. Sein liebster Trainings-Bereich? „Alles was mich bewegt und weiter nach vorne bringt. Momentan gefallen mir Coachings sehr gut.“

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